Tag 81 - vom trail gepurzelt

 

Heute war ein komischer Tag. 


Morgens um 7 trete ich aus meinem Zimmer auf die Straße und treffe "Meadows", einen jungen hiker, den ich in Lassen National Park getroffen hatte, sowie in Belden. Meadows hat Blasen an den Füßen und hat sich nicht gut gekümmert. Sie haben sich entzündet und er muss zum Arzt. Eine Bekannte würde in 1,5 Stunden kommen und ihn nach Truckee fahren. 


Ich wusste ja bereits, daß der Trail nach Truckee zum Ende hin Höhe und schwere Schneefelder hatte, also hab ich mich bei seiner Fahrt eingeklinkt. 


Schnell packen und ab ging's ins Auto. Nach 1,5 Stunden Fahrt war ich in Truckee. Beim Arzt saß schon ein anderer hiker, der auf dem Weg nach Norden abgestürzt war und sich das Handgelenk verwundet hat .


Truckee ist sehr touristisch und eine Übernachtung kostet 300 Dollar. Hier kann ich nicht bleiben. Ich entschied mich, für 11 Dollar mit dem Greyhound in die nächste größere Stadt zu fahren und war plötzlich in Reno. 

Reno ist das zweite Las Vegas, mit weniger Bling und Glamour. Amerikas größte Kleinstadt, voller Casinos. Ich habe 2 Nächte gebucht in einem Hotel/Casino für 55 Dollar die Nacht. 



Es ging alles so schnell. Eben noch in einer idyllischen Goldgräberstadt am trail, und nun in einer lauten, dreckigen (für mich riesengroßen) Stadt, weit weg vom trail. Auf der Fahrt sehr ich die Berge, die Flüsse, die Wälder an mir vorbeiziehen und es macht mich ein bisschen traurig, Kalifornien zu verlassen (Reno ist in Nevada). 



Je näher ich nach Reno kam, umso mehr gingen die Wälder zurück, bis nur noch kahle, wüstenbraune Hügel übriggeblieben. 


Der Plan war, von Reno aus nach Norden, Ashland, Oregon zu fahren, um dort den Trail Richtung Norden aufzunehmen. 


Reno war auch die Stadt, wo es einen Shop für meinen Telefon/Internet provider gibt. Da bin ich hin, hab meine Prepaid um einen Monat verlängert, und hab den Weg nach Ashland gesucht. Flug würde 450 Dollar kosten, also Zug: 180 Dollar und 28 Stunden Fahrt. Der Zug geht erst am Montag, nach Sacramento, eine große Stadt nahe San Francisco, und biegt dann nach Norden Richtung Oregon ab.


Abends bekam ich wieder Hunger und obwohl ich normalerweise um 9 schon schlafen gehe (hiker-midnight), ziehe ich nochmal los und finde in der Nähe einen so typischen amerikanischen Diner, wie aus dem Kino. Es gibt gegrillte Hühnerfilets mit Champignons, Kartoffeln und Broccoli plus die unendliche Eis-Cola (Free refills). Ziemlich satt gehe ich schlafen in dieser komischen, grell beleuchteten Stadt.



Tag 80 - der Weg runter nach Sierra City

Die 14,4 Meilen (23 km) nach Sierra City könnte ich in 7 Stunden absolvieren.


Obwohl ich ziemlich gut geschlafen habe und froh wach war, hat der Aufbruch heute doch etwas gedauert. Um 7 bin ich los. 




Heute war nicht ganz so viel Energie wir gestern, der Fortschritt eher langsam. Dazu kam dass der trail heute wunderschönen war, so dass ich immer wieder anhalten musste um Fotos zu machen. 






Wie gestern war auch heute wieder ein deutliches Sierra-feeling in der Landschaft. Die Vegetation, die Felsen um mich herum, sowie die auf dem trail, die uralten Nadelbäume und die Wildblumen waren immer wieder in wundervollen Zusammenstellungen zu sehen, dass ich zig Mal sprachlos und in Bewunderung stehen blieb. 






Der Anstieg war schwergängig, ich habe 3,5 Stunden gebraucht um oben anzukommen. Der erhoffte Weg " nur noch runter" entpuppte sich als extrem technisch ( und damit langsam). Ich könnte kaum Anlauf nehmen und cruisen, stundenlangem ging es voll exponiert über grobe, unregelmäßige Felsen. Komischerweise klirrten die Felsen unter meinen Schuhen wie Glas. 






Das letzte Stück in den tieferen Bereichen ging dann durch Wald und der Boden war endlich Erde und Kiefernnadeln, was meine Geschwindigkeit verdoppelte.






Um 14 Uhr stand ich auf der Straße und hielt mein Schild hoch "Hiker to town". Der erste Wagen, ein orangener Pickup fuhr vorbei, die Insassen lachten über mein Schild, kehrte um und nahm mich in die Stadt mit. 





Sierra City hat nicht viel an Infrastruktur, aber dafür sehr viel "Back-country-Charme". Die alte Goldgräberstadt hat heute noch zahlreiche Gebäude aus der Zeit. Sonst gibt es hier eine Bar, ein Hotel und ein General Store, der ziemlich teuer ist. 


Es sind viele hiker in der Stadt und heute beginnt das Wochenende. Das Hotel ist ausgebucht, Camping hinter dem General Store ist nicht mehr erlaubt und der Resort ist mit zu teuer. Ich hab ein kleines Zimmer über der Bar bekommen, für teure 125 Dollar. 


Tja nun bin ich in Sierra City. Ich habe die 123 km von Quincy bis hier in dreieinhalb Tagen geschafft. Zum nächsten trailhead (Truckee) sind es 72 km, von 4500 hoch, vier Gipfel auf 8000 und einer auf 8500 Fuß. Da seien einige Schneefelder wo ich rüber muss. Nach Truckee geht's auf 10000 Fuß und das bleibt es dann, alles noch voller Schnee, die Pässe über die ich muss sind dann noch höher. Da beginnt die alpine Region der Sierra Nevada. Ein bear-can ist ab dort Pflicht (ich hab keinen). D.h. der Weg nach Süden hat Schnee, was für mich ein No-Go ist. Auch nach Norden hin ist noch viel Schnee... Ich weiß nicht, was ich machen soll.

Tag 79 - wilde Vorläufer der Sierra

 ** Foto-lastig "*

Vom Camp-spot oben im Wald in 12 Stunden bis zum sawmill Creek 22,7 Meilen (36,3 km)



Ich war schon wach als der Sonnenaufgang kam. Schön gefrühstückt und um 06:30 los. Heute wollte ich 20 Meilen schaffen und voller Energie lief ich los. Es ging bergab, um 9 hatte ich die 11 km bis unten geschafft. Hier habe ich 2 Liter Wasser geholt und dann ging es bergauf. 





Überhaupt ging es heute immer wieder hoch und runter zwischen 6000 und 7500 Fuß. An den diversen Gipfeln, die ich passiert habe, waren noch einige Schneefelder zu durchqueren. Gott ich hasse diese Dinger. So rutschig! Ob der Schritt hält, scheint reine Glückssache zu sein. Und die Vorstellung den Halt zu verlieren und den Berg runterzurutschen macht mir Angst. Sieben Schneefelder musste ich passieren, Angst oder nicht. 



Nach dem ersten Gipfel wurde die Landschaft interessant. Der Berg wurde felsiger, wilder, mit schroffen Klippen. Die Felsformationen und die kleinsten unter meinem Füßen waren rot, gelb, grün oder weiß. Überall Wildblumen dazwischen und krumme Tannen dessen Äste wegen dem Wind nur in einer Richtung wachsen. 







Und die Berge ringsum änderten sich genauso. Auf beiden Seiten wurden kleine und grosse Seen sichtbar. Die gesamte Landschaft hatte in der 2ten Tageshälfte einen deutlichen Flair von Sierra Nevada, nur nicht so hoch. Sehr hübsch. Ich könnte gar nicht aufhören Fotos zu machen. 




Bevor ich den Aufstieg begann traf ich eine hikerin, die meinte Bodhie sei nur wenige Meilen voraus. Und die Vorstellung Bodhie einzuholen hat mich beflügelt. Die einzige Chance ihn einzuholen sind meine längeren Beine. Ich bin also die Berge hoch und wieder runter mit sehr großen Schritten. Eingeholt habe ich ihn nicht, aber er ist höchsten 2 Stunden voraus. Wenn ich morgen wieder so viel Speed aufbringen kann, treffen wir evtl. zeitgleich in Sierra City ein. 


3 Mal habe ich Wasser geholt heute, das letzte Mal ganz viel, kurz vor Camp, damit ich soviel kochen & trinken kann wie ich will. Ich laufe meist nur noch mit 1,5 - 2 Litern, damit mein Rucksack nicht so schwer ist. Ich komme ziemlich weit mit 2 Litern. Es ist zur Angewohnheit geworden, eher abends nachzuhydrieren.


Ganze 36 km bin ich heute gelaufen. Und im Schnee nicht ausgerutscht (Glück), Felsen erklettern und querfeldein navigiert. Es war spannend heute, wild und abwechslungsreich. Ich bin stolz auf mich! 

Es war auch anstrengend, meine Füße schreien förmlich. Mein Rücken/Nacken tut weniger weh an Ende des Tages. Ich weiß unterdessen woran es liegt: ich bin zu dünn, der Hüftgurt hat keinen Halt mehr. Und meine Körperhaltung ist falsch. 




21 hiker sind mir heute Entgegenkommen. 3 davon kannte ich. Ich traf auch "Pyro", den ich bereits in Tehachipi und in wrightwood gesehen hatte. Witzig, sein Bart ist riesig geworden. 


Zum Essen gibt es bei mir heute Rindereintopf mit Erbsen, Möhren und Kartoffeln (13 $). Ich hab heute tagsüber schon 3 Mal gegessen, einmal davon warm. Unmengen von Kalorien nehme ich auf, aber ich denke ich verbrauche noch mehr. 




Morgen muss ich noch 14 Meilen (22 km) laufen bevor ich die Stadt erreiche. Das letzte Drittel ist bergab. Deswegen habe ich heute so gepusht, ich wollte nicht drei Tage verbringen um in die Stadt zu kommen.



Tag 78 - der Kampf gegen die Blow-downs

 Vom Camp-spot am großen Fluss bis zu einer Quelle in Wald 17,7 Meilen (28,3 km). 10,5 Stunden gelaufen, fast nur bergauf. 


Heute Nacht hat es geregnet. Ich bin von dem Leuten Tropfen aufgewacht und hab in Halbschlaf die Schnallen gelöst für die vier Seiten. Geistesgegenwärtig habe ich meine Schuhe ins Zelt genommen. Was ich nicht gemacht habe (beim Aufbau des Zeltes), war es die Heringe für die Seiten in dem Boden zu fixieren. Der Effekt war dass die Seiten wie Lappen einfach nur runterhingen. Somit kann kaum Luft ins Zelt und an morgen war es von außen (Regen) und innen (Kondensation) nass. Das hat das einpacken etwas verzögert, so dass ich erst um 8 los bin. Nach 2,5 Monaten auf dem trail kann ich endlich durchschlafen, ich hab mich an den harten Boden gewöhnt. 



Die ersten 5 Stunden waren grässlich. Es ging permanent bergauf. Der trail war wild zugewachsen und hunderte von Blow-downs blockieren den Weg. Manchmal nur kleine Bäume, wo ich rüber steigen konnte, manchmal aber auch Baumriesen mit zig Ästen, wo das klettern kompliziert war. Das blöde an Blow-downs ist, dass sie mich Bremsen, und es beim Klettern leicht passiert dass ich mich verletze. Diverse Kratzer und beide Schienbeine blutig war das Ergebnis. 



Das stetige und scheinbar unendliche bergauf machte den Tag heute extrem lang und hart. Der Fluss am Morgen lag auf 2900 Fuß und der Berg wo ich hoch musste hatte 7000. 


Irgendwo kurz vor dem Gipfel war das Ende des Waldbrandgebietes. Hallelujah. Über 160 km und 11 Tage habe ich in dieser Umgebung schwarzer, toter Baumstümpfe verbracht. Hier ist der Wald wieder grün und üppig und soll so bleiben. 




Ich war morgens schon nach einer halben Stunde erschöpft, schweißgebadet und schwer atmend. Das weiterkämpfen war mühsam und hat wenig Spaß gebracht. Stolz bin ich dass ich es trotzdem geschafft habe, und das ich nicht der Versuchung erlegen bin, schon um 16:00 Schluss zu machen. (Da war so ein netter Camp-spot). Bodhie's Rat folgend, bin ich noch weiter und hab 28,3 km geschafft. Um 18:30 war ich da. 



Der Camp-spot ist nicht super, aber ich bin ein bisschen hinter die Kante des Berges gegangen um aus dem Wind zu kommen, der im Westen den Berg hoch bläst. Mein Spot ist leider etwas schief und ich werde heute Nacht wahrscheinlich nach links wegrutschen. Naja, man kann nicht alles haben. Es ist kalt hier oben. Mein Thermometer zeigt 17° an, gestern waren es um die Zeit 26°. Der Temperatur-unterschied zwischen tagsüber und früh morgens schwankt gerne um 20°. Könnte also morgen früh Frost sein. Ich werde vorsichtshalber meinen Filter und mein Phone in dem Schlafsack nehmen.



Zu dem Dorf Sierra City sind es noch 37 Meilen (60 km). Für mich 2 Tage. 


Jetzt schnell was Gutes warmes Essen (es gibt Beef stroganoff mit Nudeln, 13 Dollar die Mahlzeit), dann in dem Schlafsacks und noch eine heiße Schokolade trinken. Und die Nacht überstehen. 

Tag 77 - der gescheiterte Plan, bei Bodhie mitzuhalten

 Vom Quincy trailhead bis zum west-fork Camp-spot 29 km


Bodhie und ich standen um 9 auf dem trailhead. Ein trail-angel, der gleichzeitig bei der Suche und Bergung arbeitet, hat uns hochgefahren.



 In dem hostel sind gestern Nacht noch viele hiker angekommen. 7 schliefen draußen auf dem Rasen, insgesamt waren wir 12 und ein Hund (ja hier wandert ein Pärchen mit ihren Hund, den sie aus dem Ausland mitgebracht haben). Es war ziemlich chaotisch aber unser Host blieb ganz ruhig und hat sich gefreut.  

Der Preis der Übernachtung ist variable: Spenden, ihn zum Essen einladen oder ihm beim saubermachen hilft. Ich hab am Zero den Boden saugergemacht und mich an den Zutaten fürs Grillen beteiligt. Und die Steaks waren lecker! 


Bodhie läuft viel schnell und länger als ich. Aber wir haben es versucht, dass ich mit ihm mithalte. Und ja, es hat geklappt. Nach 7,5 Stunden waren wir am vereinbarten Camp-spot, der fast 20 Meilen weg war. Ich bin stolz auf meine 29 km (immer noch keine 30), aber er macht heute fast 40. Das traue ich mir nicht zu.




Der Wald, durch den wir gelaufen sind, hatte kaum noch Narben vom Feuerschaden. Viel Grün, und da es heute bis Spätnachmittag bedeckt blieb, war es sehr angenehmes Laufen. Das meiste heute war bergab.



Kiefer und Tannen dominierten die Landschaft, die fast den ganzen Tag 60° Neigung hatte ( ging nur an steilen Berghängen entlang) aber es war hübsch und toll, endlich aus dem Bereich der toten Wälder rauszusein.




Für Bodhie war es zu früh, aufzuhören, er macht sich um 18 Uhr noch auf den Weg. Der Abschied war bedeutend, weil wir uns vielleicht nicht mehr sehen. Er will mir noch Nachrichten schicken, wann er ein Auto mieten will, in den nächsten Tagen. 


Und so bin ich erst Mal wieder allein. Der Camp-spot hier ist angenehm warm (26° um 19 Uhr), aber etwas laut wegen dem Fluss nebenan, was aber gleichzeitig praktisch ist weil Wasser ohne Ende. Und es gibt ziemlich viele mosquitos.




 Mein Plan ist noch ziemlich vage. Ich hab essen für ca 6 Tage. Bis Sierra City ( klein und teuer) sind es 54 Meilen (86 km), und weiter bis Truckee/Reno sind noch 93 Meilen (150 km). Wären 25 km Durchschnitt. Das schaffe ich, 

Voraus ist der Weg bis Sierra City schneefrei. Vor Truckee gibt es noch Schnee zu durchqueren. (Hoffentlich schmilzt er weg in 5 Tagen). Aber da muss ich rauskommen. Da entscheidet sich, wie es weitergeht. 


Nach Süden (hinter Truckee) kommt Schnee und es geht auf über 3000 m. Da fängt halt die Sierra Nevada an. Nach Norden in Oregon ist jetzt auch noch Schnee, schmilzt aber sehr schnell weg. 


Morgen geht's den ganzen Tag bergauf. Bezahlung für heute hehe.

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