Tag 8 - im Sumpf versunken und abgebrochen - 27 km

 Bin ein paar Mal aufgewacht in der Nacht, so richtig durchschlafen hab ich sowieso die Nächte im Zelt nicht geschafft. Die Isomatte ist halt dünn, und zum Aufstehen ist es außerhalb des Schlafsacks zu kalt. Gegen 7 habe ich es dann gewagt, mich schnell umgezogen und mir einen Kaffee gekocht.

Zehn vor 8 bin ich los gelaufen. Sofort verdichtete sich der trail und ich musste mich auf den ersten Berg durch nasses Grünzeug kämpfen. Oben angekommen verschwand der trail vollends. Per GPS bin ich den Berg heruntergeklettert, durch dichten Wald. Der Boden bestand wieder nur aus Felsen, tote Äste, Löcher. Puh. 





Im Tal angekommen, schlage ich mich mühsam durch einen zugewachsenen Wald und muss alle paar Minuten durch Schlammlöcher. An einer dieser großen Pfützen, überwachsen mit Schachtelhalme, wate ich durch das Schwarze Wasser als das eine beim plötzlich bis zum Knie Weg ist. Ich Krieg es nicht mehr raus, der Schlamm hält meinen Schuh. Mit dem anderen Bein mache ich einen Schritt und versinken bis zum Schenkel. Mit Gewalt ziehe ich mich frei. Wieder puh! 





Und dann durch den Sumpf, der trail ist nicht-existent,  es gibt keinen Fußweg, keine Planken, nur vereinzelt uralte Markierungen und den Pfad auf meinem GPS. Also durch da, über wabernde,  schwimmende Moospolster. Und irgendwo mittendrin ist da ne Wasserfläche, mein Stock versinkt, ich suche eine schmale Stelle und Springe, Lande mit dem halben Körper bis zum Bauch im Wasser, der Boden gibt nach, ist weich, auf den Knien krieche ich an den Moospolstern hoch und komme wieder raus. Hallo? Geht's noch?? Mitten in der Wildnis, versinke ich im Sumpf. Und der war noch klein. In ca 35 km soll ein Sumpfbereich von 8 km Breite sein...

Und es geht so weiter, der Wald dicht, der Boden zerstückelt und voller Waldgeröll: alte Stumpfe, tote Äste, eine Vielzahl von umgekippten Bäumen, Felsen, Hüfthöhe Vegetation. Es gibt Markierungen, aber nur manchmal, oft uralt und vor allem ungenau. Mehr als einmal folge ich den Markierungen um auf dem GPS festzustellen das ich 800 m vom trail angekommen bin und schlage mich durch den Busch um wieder "on track" zu sein. Das schlimmste ist: es gibt keinen Fusspfad, seit Wochen ist hier niemand gelaufen. Es gibt kein Platz wo ich meinen Fuß setzen soll. Das ist kein hiking mehr das ist Cross-country, da hätte ich gleich eine Fluglinie ziehen können. 




Und es gibt kaum Highlights. Ich meine der Wald ist schön und es ist schon toll so tief darin zu sein, aber ich sehe kaum was. In der Ferne ein See? Ich komme nicht Mal in die Nähe, so verwachsen und überwuchert ist alles. 

Tja und das ist seit Tagen so. Mega-anstengend und ich komme kaum vorwärts bei der ganzen Energie die ich verbrauche. Ich meine ich bin 8 bis 9 Stunden unterwegs, brauche aber oft für 1,5 km eine Stunde. Das bringt so keinen Spaß. 

Schlimm ist sich dass durch das ständige Wasser im Schuh und dem unebenem Gelände meine Insoles aufgequollen sind ihre Stabilität verloren haben uns beginnen fallen zu schlagen. Auf diesem fallen zu laufen tut weh und die Dämpfung ist hinüber.

Bereits erschöpft erreichen ich um 12 das kleine verlassene Dorf Lillskogen. Hübsch und lädt zu einer Pause ein. 13 km bin ich gelaufen, in vier Stunden.
 Mit diesem Ort endet auch der sogenannte Hälsingeleden. Hier zeigt ein neuer trail ab, der Lillskogleden.
Schon  in den ersten paar hundert Metern verschwindet der trail im Dickicht. Zugewachsen, keine Markierungen, kein Fusspfad. Anhand des GPS drücke ich mich durch die Tannen in Richtung Feldweg. Dann entscheide ich statt dem trail den Feldweg zu laufen, 9 km trifft er den trail wieder. 




Endlich kann ich Mal nach links und rechts gucken, ohne gleich in ein Loch zu treten, endlich sehr ich Mal die Landschaft. Und mit so einer Straßen-Wanderung hat auch der Geist wieder freie Bahn. 

Denn hiermit war die erste Entscheidung mit Tragweite gefallen: lieber auf der Straße laufen als auf meinem geliebten trail!! Ich wollte nicht weiter durch unwegsames Gelände querfeldein. Ich wollte nicht wieder durch die Tümpel oder durch das nächste Sumpfgebiet, weil es gar kein trail gibt. 

Der Feldweg traf irgendwann auf eine größere Straße und unbewusst aber zweifellos bin ich auf die größere Straße abgebogen, obwohl das die falsche Richtung war. Weitere 14 km bin ich auf der Straße gelaufen bis mich endlich jemand mitnahm: eine alte Thailänderin, die in der Gegend Beeren sammeln war. Ich fuhr zur nächsten Bushaltestelle, 5 min später kam der Bus und gegen 17:30 Stand ich plötzlich in der Stadt Ljusdal.

Solche Bushaltestellen hätte ich in Hamburg auch gerne:


Unterdessen könnte ich im Hotelzimmer und während eines ausgiebigem Spaziergangs nachdenken. Es ist nicht die schönste Entscheidung gewesen,  aber definitiv die richtige. Der trail den ich mir gelegt habe, ist zu verwittert, zu alt und ungepflegt. Wegen dem fehlenden Fusspfad kann ich nicht laufen, wie ich es gerne möchte. Meine Beine haben Kraft aber ich komme nicht vorwärts. Wegen der fehlenden Markierungen und der nicht vorhandenen Instandsetzung (=Planken in Sumpfgebiet) ist es auch schlichtweg gefährlich. Schade eigentlich aber Cross-country/survival ist nicht meine Leidenschaft.

Tag 7 - hinein ins Grauland - 26,3 km

 Ich bin dann heute doch weitergelaufen. Zum einen: deswegen bin ich ja hier, zum zweiten: thruhiking ist schwer, weil man ohne Unterbrechung unterwegs, dauernd den Launen der Natur ausgesetzt ist. Spazierengehen ist hier fehl am Platz und nur weil ich mich scheue aus meiner comfort-zone rauszukommen, kann das so nicht laufen. Der trail ist hart da hilft nur harte Kraft aufzuwenden um da durch zu kommen. 


Nach ausgiebigem Frühstück bin ich los und hinein in das"Grauland", das Gebiet von 120 km, wo meine Karte mit grau anzeigt. Wildnis. Und holy moley!! Wild ist es in der Tat. Der trail ist quasi nicht-existent. Nur sporadisch (und oft falsch) markiert. Es gibt keinen festen Boden mehr, mit Baumstümpfe, Felsen, Löcher, Tote Bäume und alles mit Moos überdeckt. Dazu Hüfthöhe Vegetation. Da heute durchzukommen war ein Kampf. Natürlich nass, Wasser in den Schuhen ist die neue Tatsache, aber extrem anstrengende kletterpartie. Ich war beinahe 80 % der Zeit im "Battlemodus" . Da der Boden so uneben war haben meine Füße sehr gelitten. Aber meine Beine können unterdessen ganz schön Pumpen.





Mitten im Wald, nach Stunden, finde ich die wohl hübscheste Toilette, die ich je gesehen habe!! Ich dachte ich träume. Und was macht man wenn man im Wald eine Toilette findet? Man benutzt sie!



3 Mal musste ich heute durch einen Sumpf. Splish-splash!! Immer wenn ich in ein Tal komme, warten die Sümpfe





Der Wald ist unterdessen ganz anders, Weg sind die Lücken Kieferwälder mit dem Boden aus Nadeln. Stattdessen dominierten Tannen, kleine graue und riesige dunkle. Der Boden ist laubbedeckt, die Blätter schwarz vor Feuchtigkeit, der Geruch ist eher modrig. Auch ist der Wald dicht, wie eine Wand. Und ich musste mich mehrmals durch den Busch schlagen, weil der trail nicht da war und ich oft nach GPS navigiert bin. Zum Glück hab ich das, ohne GPS hatte das niemals geklappt.




Ich hatte mir vorgenommen bis 18 Uhr zu laufen und dann irgendwo mein Zelt aufzuschlagen. Nun steht es mitten im Wald, direkt neben dem trail. Hauptsache flach, denn eine leere, Flasche Fläche ist in Grauland kaum zu finden.




Heute hatte ich abends noch Empfang, ich weiß nicht wie es die nächsten Tage wird. Also nicht verzagen, wenn es vielleicht nicht täglich Updates gibt, es hängt ab vom Empfang und meiner Batterie-Ladung.

Tag 6 - nass von oben, nass von unten - 24 km

 Eigentlich war es ganz schön an meinem Zeltplatz. Ich meine, mitten im tiefen schwedischen Wald habe ich in einer Kuhle eine Flasche Stelle gefunden und hab ziemlich gemütlich in den Moospolstern gelegen. Nur die Mücken waren unangenehm. Ich hab im Zelt gekocht (ich weiß man soll das nicht). Mein Zelt ist wieder offen geblieben (nur Moskitonetz) so dass ich freie Sicht überall hatte. Zum Einschlafen echt schön, in der Stille des Waldes zu liegen.

Bis um 7 hab ich geschlafen, im Zelt Kaffee gekocht und eingepackt, und dann wieder losgezogen. Es dauerte ganze 20 Minuten bis ich Wasser in den Schuhen hatte. Die erste Tageshälfte war so: alle paar Minuten war der trail unter Wasser. Mal ein Schlammloch, Mal eine 15 m große Pfütze, Mal ein Bach der sich breit über den trail ergoss. Das ganze ist unter der Oberfläche der Vegetation und man kann das Wasser nicht sehen. Allein die Farbe des Mooses, oder die Art der Pflanzen (Schachtelhalme wachsen nur im Wasser) deuten auf Wasser hin. Ich bin ziemlich gut geworden von Büschel zu Büschel zu springen, aber manchmal gibt es kein entrinnen: Splash! 

Kurz vor 12 entsteht ein Gewitter über mir! Ich fahre das Solarpanel auf dem Rucksack, lade das Handy und die Powerbank und mit einem Mal ist Schatten. Genau über mir, vor der Sonne bildet sich eine graue Wolke... Innerhalb von 10 Minuten quillt dieser wollte auf, wird immer dunkler. Ein Donner und ich versuchte verzweifelt meine Elektronik wasserdicht zu machen, als die ersten Tropfen fallen. Wenig später erreiche ich eine Windschutzhütte, wo ich eine Mittagspause einlege, ein Feuer Anzünder (für die Stimmung) während ich beeindruckt zusehe wie das Gewitter wächst und blitzt und donnert.





10 Kilometer hab ich in den 4 Stunden geschafft. Ein Durchschnitt von 2,5 km/h. Damit werde ich nicht weit kommen. Ob des drohenden Gewitters kommt mir der Gedanke hier zu bleiben. Aber es ist erst mittags!! Auf der Karte sehr ich ein Etappenziel: Harsagården. 14 km. Ich entscheide mich : Ich esse mir jetzt den Bauch voll (food is fuel) und pushe bis dahin.
Es gibt eine Riesenportion Macaroni mit Emmentaler-Käsesosse, sehr lecker. Dazu meine erste Vitamin-Pille.




Eineinhalb Stunden verbringe ich dort, während die Gewitter-Front wächst. Ich ziehe voller Kampfgeist los. Ich rechne mit 5 Stunden, schaffe es  Ende in 4. Ich habe aber auch gepusht bis an meine Grenzen. Und bin dabei über 2 Berge mit >500 m Höhe.

Der trail ist hübsch aber leider sehr nass. Mit trockenem Füßen zu wandern bleibt wohl ein ferner Traum. Ich bin vollkommen allein, v seit 6 Tagen habe ich auf dem trail keinen Menschen gesehen. Nur Name den Siedlungen sehr ich manchmal Spaziergänger, aber der trail bleibt leer. Nun, wer mit gesundem Menschenverstand würde sich sowas antun? Dieser trail ist nur sporadisch markiert, ohne GPS hatte ich mich mehrmals verlaufen. Und schwer ist er auch. Die Beine müssen 8 Stunden pausenlos Pumpen, es ist ein einziger Hindernislauf.

Ich hatte keine Ahnung was mich in Harstagården erwarten würde, geschlossen, ein Restaurant? 4 km vor dem Ziel komme ich am einer Windschutzhütte vorbei, sauber, trocken, mit Holz. Mich übernommen Zweifel, schon oft haben meine Träume mich zu zu hohen Erwartungen geführt, nur um am Ziel vor verschlossenen Türen zu stehen. Laut dem schwedischen "allemansrätten" darf man überall zelten und Feuer machen, solange es mindestens 100 m vom nächsten Haus entfernt ist. Gerade in zivilisierten Gebieten ist es oft so, dass nirgends ein freier Platz zum Aufstellen des Zeltes zu finden gibt. Kurz entschlossen (ich habe Empfang) Suche ich in Google: Hotel, Sportanlage, Jugendzentrum, Ski-Resort.... Ich rufe dort an, sie haben noch ein Zimmer frei!! Ich habe fast geheult, in einer Stunde sei ich da, tief ich begeistert ins Telefon und laufe los. Durch den Regen, durch den Sumpf, alles egal. Um 17:30 bin ich da, gerade als der Regen nachlässt.




Ich nehme mir heute ein Hotelzimmer. Teuer aber egal. Heiße Dusche, heißes Essen, Frühstück, WLAN. Eine Nacht zum Entspannen. Und nachdenken, und planen.

Der nächste Abschnitt wird wild und bergig, die Wetter-Prognosen sind Mittel, halb Regen halb Sonne, 7 bis 18 Grad. Die Karte zeigt lange Zeit nichts. 75 km zur nächsten Siedlung, 122 km zum nächsten Supermarkt.
Ich bin bis heute Ingesamt 113 km gelaufen, also die 100er-Marke geschafft, aber es waren 6 hätte Tage. 10 habe ich noch. In diesem Tempo schaffe ich nicht 230 Kilometer bis ans Ende. Wenn ich mich committe, gibt es lange Zeit keinen Exit-Point und dazwischen liegt der 8 km breite Sumpfbereich und der 50 km Roadwalk. Weil ich mir das antun? Sind diese Entbehrungen der Inhalt meines Urlaubs? 



Tag 5 - erschöpft - 20,6 km

 Habe etwas getrödelt heute morgen und bin erst um 9 los. Der Wald triefnass, dauerte es nicht lange bis meine Schuhe wieder voll Wasser waren.

2 Stunden später erreiche ich einen großen See mit einem Stand. Hier etabliere ch mich erstmal. Ich lege alle Sachen zum Trocknen und auslüften aus (sogar meine Schlafsocken sind irgendwie nass). Ich wasche mich, meine Klamotten und meine Socken und Schuhe, und lade mein Handy und die Powerbank über das Solarpanel auf. In den zwei Stunden am Strand koche ich mir was und finde: das Leben ist schön.




Um 13 Uhr ziehe ich weiter und habe gleich einen 2-stündigen Anstieg. Dabei Verlaufe ich mich auch noch und merkte es erst 1,5 km später. 


All you gotta do is walk, só heißt ein Spruch aus dem thruhiker-jargon. Es ist ein zweischneidiges Schwert: zum einen, braucht man bloss zu laufen, da kann jeder. Zum anderen heißt es aber auch: du musst laufen, darfst nicht stehen bleiben, sonst passiert nichts, sonst ändert sich nicht und irgendwann gehen die die Ressourcen aus.

Der trail und die Umgebung sind wirklich selten schön, und heute war auch bestes Wanderwetter. Aber mir fällt das Laufen echt schwer diesmal. Ob's der Rucksack ist, der noch immer 16 Kilo wiegt, oder ob ich einfach Corona-geschädigt bin, ich weiss es nicht. Aber ich bin dauernd erschöpft, am hecheln und komme nur sehr langsam vorwärts. Falls mich hier ein Bär angreift, ich kann nicht Mal mehr weglaufen. Ich weiß dass ich diese oft an Anfang meiner hikes erzähle, aber diesmal fällt es mir besonders auf. Hoffentlich wird's besser.




Gegen 18:30 sich ich verzweifelt nach einem Platz um mein Zelt aufzustellen, während ich langsam den Weg entlang tapse. Erst um 19 Uhr find ich eine falsche Stelle mitten im Wald. Hübsch ist es ja, aber voll mit mosquitos. Also schnell was kochen (heute hab ich mir ne heiße Schokolade verdient) und ab in die Heia, damit ich schnell aus der mosquito-hölle rauskann.



Tag 4 - Bollnäs stinkt - 18 km +6km

Ich habe gut geschlafen, mein Zelt war die Nacht über offen (nur Moskitonetz). Gegen 9 bin ich los Richtung Stadt. Nach 5,3 km kam ich am Stadtrand an und bin 3 km Asphalt in die Stadt rein,  an hübschen schwedischen Häuschen vorbei. Es ist komisch auf ebenem Weg zu laufen, ohne Trekking poles verliere ich mit dem schweren Backpack mein Gleichgewicht. Und überhaupt, in der Innenstadt komme ich mir vor wie ein außerirdischer. 




Auf dem Weg in die Stadt hatte ich mir vorgenommen ein Zero-day einzulegen und in dem Wanderheim zu übernachten. Ich habe nämlich ein Problem mit meinem Socken: ich wollte auf dieser Reise die Technik auszuprobieren mit Zehen-Socken-inlinern zu laufen. Angeblich halten sie die Feuchtigkeit vom Fuß fern und vergingen Blasen. Soweit so gut. Aber sie scheinen das Wasser in den Schuhen nicht gut verarbeiten zu können. Die Inliner, meine Wollsocken und meine Schuhe stinken bestialisch!!! Das ist mir noch nie passiert. Bisher, nur Wollsocken und die Schuhe, riechen die selbst nach 1600 km noch nicht, die Schuhe sind dafür gebaut. Aber die Inliner sind wohl nicht reine Wolle. Dazu kommt dass mein ganzes Fuß-Ökosystem nicht mehr funktioniert. Die Haut kann nicht atmen, wird weich und weiss. Schlimmer als Blasen ist aufgeweichten Haut und mit dem Gestank sind ja auch Bakterien im Spiel. Also wollte ich den Tag zur Socken- und Fuß Hygiene benutzen. Außerdem sollte heute um 16 Uhr stärker Regen kommen...

Tja das Wanderheim hatte zu, die einzigen beiden Hotels kosteten zw 100 und 160 Euro die Nacht. Also müsste ich entscheiden, doch weiter zu gehen in dem Regen hinein.

Einkaufen war ich, und Mittag gegessen habe ich auch. Meine Motivation ziemlich geknickt, meiner Füße nach stundenlangem Asphalt schmerzten, bin ich wieder los. Zur Belohnung war der trail nach der Stadt selten schön.




Um 17 Uhr erreiche ich eine kleine Windschutzhütte, als der Regen anfängt. Und hier habe ich erst Mal fest. 3,7 km weiter zeigt die Karte, dass es noch eine weitere gibt, aber es lässt sich nicht voraussagen, ob die gut genug ist: Dach dicht, Liegefläche vorhanden, sauber, etc....
Ich habe erstmal meine Füße versorgt und getaped. Wenn der Regen bald aufhört,v werde ich es vielleicht Wagen durch den triefnassen Wald zur nächste Hütte zu krackseln.

Tatsächlich bin ich noch Mal losgezogen. Durch den Regen. War auch schön. Um 18:30 kann ich bei der ersten Windschutzhütte an. Zeitgleich kann die Sonne wieder raus. Ich hatte noch Lust & Kraft und bin weitergelaufen. 

Der Abschnitt von trail war unglaublich schön. Der Wald dampfte und jedes Blatt glitzerte wenn ein Sonnenstrahl durch den Wald ging. Wundervoll.





Aber auch mordsanstrengend. Bei der nächsten Hütte angekommen, könnte ich nicht weiter, mein Backpack durch den Resupply besonders schwer, und die Füße schmerzten ( nichts neues).
In einem Birkenwald gelegen, sehr grün, sehr feucht, sehr viele mosquitos.
Ein wenig Holz ist noch da, also brennt nun

ein Feuer, für den Gemütlichkeit Faktor und um die Mücken abzuhalten.
Hinter mir plätschert ein Bach und es wird langsam dunkel. Schnell noch was kochen, umziehen, einsprühen und in meinem Schlafsack einkuscheln.



Tag 3 nasse Füsse auf dem trail - 24 kml

 13 Stunden hab ich in meinem Zelt verbracht. Es hat die ganze Nacht stark geregnet und laut auf mein Zelt getrommelt. Aber es blieb dicht. Und meine Sachen trocken, zum Glück




Eine Stunde nachdem ich los bin, glücklich und gut gelaunt dass ich die Nacht überlebt habe, habe ich mich bei Nieselregen und 14 Grad in einem eiskalten Bach gewaschen. Gürtellinie aufwärts. Das war wundervoll!! 
Das Wasser in Schweden ist gut für Haut und Haare. 

Nach einer weiteren Stunde kann ich in ein flaches Gebiet. Es reichte nicht dass die Vegetation durch den Regen in der Nacht schon pirschnass war, der Wald wurde zu einem Feuchtbiotop ohnegleichen. Farbe, Schachtelhalme, langes grünes Gras, Schlamm und Wasserflächen überall. Nach 15 Minuten waren meine Schuhe und Socken nass. 




Erst gegen Nachmittag kam ich in höhergelegene und felsigere Gebiete. Hier war der trail wunderschön. "Felsmonarchen", so nenne ich die riesigen Felsbrocken, so groß wie ein Haus, mit altem Moos bewachsen.






Auf einem trockenen Abschnitt des trails, habe ich meine Schuhe, Socken und mein Zelt getrocknet.



Spätnachmittag kann ich in die Nähe der Stadt Bollnäs. Ich fand den geplanten Camp Spot, aber die Liegefläche war so schief, darin könnte ich nicht schlafen. An dieser Hütte Tag ich 3 junge Männer, die Karten spielten. Sie boten mir an mich zu der nächsten Windschutzhütte zu bringen, die war deutlich besser. Ich befand mich etwas 10 km vor dem Stadtzentrum, wo ich morgen einkaufen und bei McDonald's vorbeischauen wollte. Da sie mit dem Auto hierwaren, boten sie mir an mich in die Stadt zu fahren. Ich wollte da aber nicht Abend um halb sieben auftauchen. Stattdessen haben die mich zu einem Badestrand, 5 km von der Stadt entfernt gebracht, wo ich nun mein Zelt aufgeschlagen habe.. Während ich versichere mich vor dem Mücken zu verteidigen (es sind Tausende), koche ich Asia Chicken Nudeln mit Salami. So richtig hiker-hunger habe ich noch nicht, aber es schmeckt.



Tag 2 - Don Quichote im schwedischen Wald - 19,5 km

In meiner Luxushütte hatte ich heute Nacht Besucher: kleine tiere haben versucht mein essen zu klauen. Ich habe sie gehört nachts um 1, Also habe ich mein Essen an einen Wandhaken gehängt

Um kurz vor 8 uhr bin ich losgelaufen. Der Waldboden war unglaublich schön hunderte von Blumen aller Farben, Himbeeren, Heidelbeeren, Farne wie ein Teppich. Aber auch anstrengend, denn ebene Flächen gibt es nicht mehr, jeder Schritt hat eine andere Höhe, Winkel und Konsistenz. Jeder tritt muss bewusst gesetzt werden und meine Welt reduziert sich damit auf "ich und die nächsten 2 Meter" 

Der trail den ich bisher gelaufen bin, Gästrikeleden, ist gut gepflegt, markiert, hat Hütten und Schilder, aber der dreht südlich ab. Ich muss nach Nordwesten und zeige daher auf den nächsten trail: Hälsingeleden.




Tja und der ist verlassen, seit Monaten ist Jahren, die Markierungen alt und verwittert. Es passiert immer wieder daß ich den trail verliere und per GPS weiter muss. Das verbraucht extra Batterie, lässt sich aber nicht ändern. Schlimmer wird es noch als ich merkte dass eine Strom Firma 58 Windkraftanlagen hier hin gestellt hat. 2 Stunden lang schlage ich mich durch den Busch, der trail hoffnungslos verloren.
Endlich Folge ich einer Straße, meine Füße, Beine, Schultern schmerzen wegen der Anstrengung. 
Während es vormittags noch warm und sonnig war, frische der Wind auf, aus Nordost und bringt schwere wollen. Laut Wetterbericht soll um 19 Uhr eine Menge Regen kommen. Ich Besuch dringend einen Camp Platz. Am ersten See nichts, und auch am zweiten, 6 schleifende Kilometer weiter, nichts. Ich Zwänge mein Zelt am Ufer zwischen zwei Boote, wo der Boden einigermaßen flach ist. Ich hoffe nur dass sich hier nicht so viel Regenwasser sammelt und ich heute Nacht in einer Pfütze liege.



Ich liege in meinem zu Zelt und Ruhe mich aus, draußen wird es kalt und grau. Es gibt literweise heißen Tee und boeuf stroganoff mit Reis. 

Tag 1 - Eintauchen ins Unbekannte - 7,5km

 Bei einem glorreichen, wolkenlosen Tagesanbruch sass ich noch im Bus. Ich habe es tatsächlich geschafft ein bisschen zu schlafen, vielleicht 4 Stunden, aber die Sitze sind für mich einfach zu unbequem.


Dennoch war ich aufgeregt endlich in Stockholm anzukommen, an einem strahlenden Freitag. Die Stadt erwachte gerade langsam zum Leben, die meisten Läden noch geschlossen. Zweieinhalb Stunden Aufenthalt beachten mich durch die Straßen Stockholms, zu McDonalds für ein verstärktes Frühstück und dann bin ich am Bahnhof rumgelaufen und habe mir von Laden zu Laden Wasser erbettelt. Nicht viele haben sich bereit erklärt, meine Wasserflasche aufzufüllen. Aber nun habe ich 4 Liter voll, das reicht erstmal bis morgen Mittag, bis dann muss ich Wasser finden.

Im Zug saß ich bei einer Mutter mit 2 kleinen Töchtern. Sie war Sozialpädagogin und die zwei Stunden vergingen Recht schnell.

Aber dann war ich angekommen, am Startpunkt meines selbstgebauten trails. Am Dorfrand habe ich meine Schuhe festgezogen, Zehensocken und gaiter angebracht, holte tief Luft und bin in den Wald eingetaucht. Wie auf Knopfdruck veränderte sich meine Welt. Warme, duftige Luft und absolute Stille umringten mich. Ganz gemächlich bin ich eine kleine Strecke gewandert, und musste mich immer wieder selbst ermahnen nicht mehr so viel nachzudenken, planen und alles unter Kontrolle haben zu wollen. Es gab nichts mehr worüber ich mir Sorgen machen bräuchte. Ich habe Wasser für 2, Strom für 5 und Essen für 12 Tage und eine super Ausrüstung. Der Weg und was er bringen würde war sowieso vollkommen unbekannt. Und das ist ja gerade das Tolle: eintauchen in das Unbekannte und loslassen




Ich wollte heute nicht so weit laufen, um meine Muskeln langsam an das Gewicht und die Anstrengung zu gewöhnen. Etwa 10-12 km? Tatsächlich habe ich nach 7,5 km schon Schluss gemacht. Denn ich bin plötzlich auf eine Hütte gestossen, die wie ein Traum ist: wohn- und Schlafzimmer, Kamin, Plumpsklo und Holzvorrat. Die Hütte ist so hübsch dekoriert, mit Kerzen, Teppichen und Gardinen. 




Offen für jeden der hier übernachten möchte! Der Hammer! Da ich im Bus mit so wenig geschlafen habe und eine 20 stündige Reise hinter mir habe, entschied ich mich, hierzubleiben und den Nachmittag zu genießen. Am Bach etwas Wasser filtern, mit es leckeres kochen, und erstmal Rückruf auszuschlafen. Doch nicht im Zelt.
Morgen soll stärker Regen kommen mit >31mm Wasser, aber nur einen Tag lang. Egal wie morgen wird: heute ist's wundervoll!


Tag 0 - der Beginn der Reise

 Zu Beginn eines thruhikes ist der Rucksack immer besonders schwer. Zum einen weil mein Rücken es nicht gewohnt ist so viel zu tragen, und zum anderen weil der gesamte Proviant für 12 Tage noch unangetastet ist. Ganze 6 Kilo Essen habe ich dabei. Aber es sind auch wunderbar leckere Dinge darin enthalten, auf die ich mich jetzt schon freue.





Die Reise beginnt um 15 Uhr als ich in die S-Bahn steige und zum Bahnhof fahre. Am ZOB erwartet mich eine besondere Abreiseatmosphäre: Menschen sämtlicher Nationalitäten warten mit Taschen, Koffern und Tüten auf den Beginn ihrer Reise. Der Bus nach Stockholm ist ziemlich voll und in Corona-Zeiten zu reisen fühlt sich immer etwas mulmig an. Aber egal: es geht los!

Als wir die Fähre nach Rødby erreichen tut mir der Rücken schon weg von den extrem ungemütlichen Sitzen im Flix-bus. Schön aussteigen zu können, eine zu rauchen und mich Sonne und Wind auszuliefern. 




11 Stunden muss ich noch aushalten, wenn es geht etwas schlafen. Und ich weiß jetzt schon der Tag morgen wird hat. Zumindest schlafe ich heute Nacht warm und trocken.


Eine neue Reise steht an

 Nun packte mich nach dem ewigen Corona-Lockdown doch wieder die Wanderlust! Ich werde dieses Jahr noch einmal nach Schweden fahren und meinen Beinen (und Gedanken) freien Lauf lassen.

Die Strecke startet nördlich von Gävle (160 km nördlich von Stockholm) nahe der Küste und geht Richtung Nordwesten, nach Östersund. Genauer starte ich in Lingbo, etwa 60 km von Gävle entfernt und werde bis Svenstavik laufen (60 km vor Östersund - weil die letzten 60 km nur Asphalt durch Wohnorte sind) das sind insgesamt 340 km.

Ich habe mir die Strecke selbst zusammengebaut und werde mich 5 verschiedener Trails bedienen (und ein paar X-country und X-road Abschnitte):
- Gästrikeleden
- Hälsingeleden
- Lillskogsleden
- Kårböleleden
- Karl XI:s väg
Und da die Strecke "selbsgekocht" ist, sind die Abschnitte auch unregelmäßig und unausgeglichen. Den ersten Resupply-Punkt erreiche ich schon nach 3 Tagen (=Bollnäs bei 60km). Der längste Abschnitt ohne Resupply liegt zwischen Bollnäs und Ytterhogdal mit 175km. Während die erste Hälfte ziemlich wild ist und auch die Wasserquellen eher ungewiß sind, verläuft die zweite Hälfte weitestgehend über Straßen. Ich werde mindestens 80km auf Asphalt laufen müssen, kenne jetzt schon einen Abschnitt von 30 km ohne Wasser und muss ein Sumpfgebiet von 8km durchqueren. Das Ganze geht von dem Flachland der Küste hoch in die Berge in Richtung norwegische Grenze. 



Ich bin auch deutlich "unfit". Durch den Corona-Lockdown und meine eigene Träg- und Faulheit fühle ich mich eher schwach und wackelig. Als ich das Training wieder aufgenommen habe (Anfang Juni) hatte ich nach 8 km schon starke Wadenkrämpfe und etliche andere Schmerzen. Als wäre ich noch nie gewandert! Es ist erstaunlich wie schnell der Körper wieder degeneriert wenn man das Training nicht aufrecht erhält... 

Unterdessen habe ich mehr trainiert und die Gelenke und Sehnen sind etwas stärker geworden - aber ich bin immer noch Meilen von der Power entfernt, die ich Anfang 2020 hatte. Aus dem Grund habe ich für diese Reise auch eine kürzere Strecke gewählt, damit ich Zeit habe mich langsam an die Anstrengungslevel zu gewöhnen oder auch mal wenige Kilometer zu laufen. Ich weiß von früher, wenn ich fit bin und loslege, dann bekomme ich einen Tagesdurchschnitt von 27 km hin. Dann wäre ich nach 12 Tagen fertig :) 

Auch meine Ausrüstung ist nicht 100%ig - Ich habe zu wenig Seife, zu wenig Erdnussbutter und keine Papierkarten dabei. Zumindest nehme ich diesmal extra Kälte- und Regenschutz mit (500 gram mehr Gewicht). Die Wetterprognosen sind mittel: nachts zwischen 4 und 8, tagsüber max 12 bis 16 Grad Celsius. Meine Erfahrungen so weit im Norden zeigen auch dass es sehr nass werden kann, von oben als Regen, und von unten weil der Wald morgens pitschnass ist. 

Ich habe keine Ahnung was kommt und werde mich überraschen lassen und sehen wie weit ich komme. Ich freue mich auf die frische Luft und die rohe Natur Nordschwedens. Tatsächlich kommen in diesem Gebiet alle 4 großen Raubtiere Europas vor: Wölfe, Bären, Luchse und Vielfraße. Aber auch auf die Möglichkeit Biber und Elchen zu begegnen, freue ich mich. Und besonders auf die Freiheit des Geistes, einfach nur zu laufen und meiner Routine zu entkommen.

Was die Reislogistik angeht, so fahre ich wieder mit dem Flixbus nach Stockholm hin, fahre dann 2 Stunden mit dem Zug. Die Rückfahrt ist noch sehr unpräzise, von Östersund fahren Busse & Züge über Umwege nach Stockholm, von wo ich diesmal mit dem Flieger zurück nach Hamburg will....  hoffentlich nehmen die meinen Rucksack mit und lassen mich trotz dem Geruch einsteigen :)

Noch 3 Tage!


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